Engagiert, herzlich und frei: Barbara Hatzl im Gespräch
Barbara, seit 1. Juli bist du in Pension. Seit 2006 bis 30. Juni 2021 hast du die Geschicke des Vereins „Wir für das Haus der Frauen“ geleitet und vor kurzem an deine Nachfolgerin Maren übergeben. Erzähle, wie du zum Haus der Frauen gekommen bist.
Während meines Mathematik-Studiums habe ich im Ordinariat bei einer Jugendorganisation gearbeitet und bei Budgetsitzungen mitbekommen, dass eine Frau – Gusti Wögerer - für die Errichtung eines Hauses für Frauen kämpft. Das hat mir sehr imponiert und ich dachte mir schon damals: „Mah, die ist aber hartnäckig.“ Als dieses Haus dann 1982 tatsächlich eröffnet wurde, lebte ich mit meiner Familie in Trieben und war rasch bei den Familienwochen im Sommer dabei. Wir haben uns alle sehr wohl gefühlt und bald auch befreundete Familien mitgebracht. Seitdem ist das Haus der Frauen mein persönlicher Sehnsuchtsort. Schon immer habe ich das tolle Programm und die ganzheitliche Ausrichtung bewundert und versucht, zumindest ein Mal pro Jahr zu kommen. Meine erste von mehreren Ausbildungen dort war der Spiritualitätslehrgang ab 2002. Weibliche Spiritualität war für mich völliges Neuland und hat mich total begeistert. Für den nächsten Lehrgang wurde ich von der Leiterin Birgit Schmidt gefragt, ob ich nicht als Begleiterin dabei sein möchte. Zur Zusage hat sie mich mit einem nachdrücklichen „Trau dich!“ ermutigt. Dieses Wort begleitet mich noch heute und auch ihre Aussage „Du bist die geborene Liturgin“. Nach Lehrgangsende hat mich schließlich Anna, die schon damals das Haus geleitet hat, angesprochen, dass jemand für 5 Wochenstunden zur Umsetzung einer „Bausteinaktion“ des Vereins zugunsten der Generalsanierung des Hauses gesucht würde. „Du hast Mathematik studiert. Dann kannst du sicher mit Geld umgehen.“ Ja, und plötzlich war ich Mitarbeiterin. Die Bausteinaktion läuft heute noch zur Unterstützung des Hausbetriebes und wir freuen uns immer über neue Mitglieder im Verein, bei dem ich auch jetzt in der Pension noch ehrenamtlich als Kassierin tätig bin.
Ich glaube, dass, wenn die Zeit reif war, mir Dinge einfach zugefallen sind. Auch wurde ich von Frauen immer wieder bestärkt und mir wurde vieles zugetraut. Das hat mich sehr ermutigt.
Wie geht es dir mit Frauen in Kirche und Gesellschaft?
Mein Onkel war Pfarrer und ich persönlich habe Kirche als Kind und Jugendliche sehr „weit“ erlebt. Begleitet hat mich auch der Ausspruch meiner Mutter: „Der liebe Gott verlangt nichts Unmögliches von uns, nur die Menschen.“
Furchtbar aufgeregt hat mich dann, dass ICH NICHT ministrieren durfte, mein Bruder aber schon. Und mein Bruder war einer, der nicht so brav war – zumindest war das meine Einschätzung – und trotzdem durfte ER ministrieren. Das habe ich nicht verstanden.
Später hat sich eine Rottenmanner Freundin empört über die Sprache in der Kirche und dass Frauen überhaupt nicht berücksichtigt werden. Damals habe ich angefangen, darüber nachzudenken. Immer öfter habe ich Kirche als konservativ, ängstlich, einengend erlebt und wurde kritischer. Ich hatte ja noch gelernt, dass man einem Priester nicht widerspricht. In Trieben ist mir aber nichts anderes übriggeblieben. Als ich das endlich einmal gewagt hatte, ist der Pfarrer „explodiert“ – er war aber nie nachtragend und wir haben einen guten Weg der Zusammenarbeit gefunden.
Das Telefon läutet. „Da muss ich schauen, ob das mein Sohn Philipp ist.“, meint sie und geht zum Telefon. Er kommt nächste Woche mit seiner zweiten Frau und den drei Söhnen.
Beim Spiritualitätslehrgang im Haus der Frauen hat mich dann schließlich „der heilige Zorn“ gepackt, dass Frauen in der Kirche nicht mehr zu sagen haben. Das hat mich wirklich selbst überrascht.
Ich finde es wichtig, mich weiter zu entwickeln und Veränderung zu leben. Gerne bin ich Liturgieleiterin im Haus der Frauen, bei einer Bibelrunde in Ilz aktiv und engagiere mich als Lektorin und Leiterin von Wortgottesfeiern in meiner Heimatpfarre Ilz.
Der wunderbare Klang einer alten Pendeluhr lässt uns kurz inne halten. Sie ist schon lange im Familienbesitz und Barbara erinnert sich, dass sie diese noch aufziehen muss, was sie auch gleich macht. Nebenbei erzählt sie, dass sie sehr gerne in diesem schönen, alten Bürgerhaus mit seiner (Familien-)Geschichte lebt, dem Heimathaus ihrer Mutter. „Ah, der Kaffee ist ausgetrunken, jetzt könnt‘ ma den Prosecco angehen“, bemerkt sie bei ihrer Rückkehr zum Tisch.
Ich erlebe dich und Günther als sehr gläubige Menschen. Wie geht ihr damit um, dass eure Söhne nie kirchlich geheiratet haben?
Das hat schon weh getan. Wenn man etwas als sehr wertvoll erlebt, möchte man das halt weitergeben. Günther (Anm: Barbaras Ehemann) meint dazu: „Man kann nie sagen, was noch kommt.“
Unsere Kinder leben aber doch so viele christliche Werte und engagieren sich sozial, auch im Haus der Frauen. Darauf bin ich sehr stolz. Einer von ihnen hat zum Beispiel ein indisches Patenkind, alle gehen sehr liebevoll und achtsam mit ihren Frauen und den Kindern um und sie sind uns sehr fürsorgliche, fröhliche Söhne. Hin und wieder geht einer mit uns auch in Ilz in die Kirche.
Wie war es für dich, deine Arbeit jetzt abzugeben, und worauf bist du besonders stolz, wenn du an deine Arbeit als Geschäftsführerin des Vereins „Wir für das Haus der Frauen“ denkst?
Die Zeit war einfach reif. Durch Corona hatte ich gefühlt noch mehr Arbeit, zum Beispiel mit dem Maskenverkauf. Aber es war selten jemand da, der mich unterstützt hätte, weil damals viele unseres Teams in Kurzarbeit waren. So hat es für mich jetzt gut gepasst.
Sehr stolz bin ich auf unser Buch zu den biblischen Frauen: „Spür deine Kraft. Biblische Frauen begleiten durch das Leben.“ Das war eine mittlere Diplomarbeit – ich hatte viel Arbeit mit den Abdruckgenehmigungen für die gesammelten spirituellen Texte und die Bilder. Aber es kam auch zu so netten Erlebnissen wie mit dem Kaplan aus Aachen: Sein mir vorliegender Text war offensichtlich fehlerhaft. Wir haben viel hin und her gemailt, bis er ihn schließlich ganz überarbeitet hat und schrieb: „... ich bedanke mich für die netten Mails. Das Ergebnis der Arbeit eines Tages über 1.000 km hinweg kann sich sehen lassen.“
Etwas Besonderes waren für mich auch meine ersten Weihnachtsbilletts. Für eines hatte ich von Kurt Zisler digital das Bild eines Engels erhalten und die Qualität des Fotos bereitete dem Layouter und mir viel Kopfzerbrechen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass der Leiter unserer Bibelrunde das Original zu Hause hat. (Barbara lacht).
Besonders froh und dankbar bin ich für die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen im Verein, für so viele wunderbare Begegnungen, für die Wertschätzung, die ich von vielen Menschen erfahren durfte.
Liebe Barbara, danke für dieses wunderbare Interview!
Das Interview führte Christine Feiner-Laner Mitte Juli 2021.