Im Interview: Birgit Schmidt, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation
Hier kannst du nachlesen, wie sie zu weiblicher Spiritualität steht, wie sie mit ihrer schweren Erkrankung umgegangen ist und wie Corona ihr Leben beeinflusst.
Hast du in deinem Leben und/oder auch in der Kirche Diskriminierung oder andere Behandlung erfahren, weil du eine Frau bist?
Ja, das kann man schon so sagen. Als junge Theologin, gerade frisch fertig mit dem Studium, habe ich mein Pastoral- und dann das Schulpraktikum gemacht, und wollte eine Anstellung in der Diözese. Da hat mir der damalige Generalvikar geradewegs ins Gesicht gesagt, dass ich sicher keine Anstellung in der Diözese bekommen werde. Einer der Gründe war, dass ich zu feministisch bin. Damals hat mich das schon sehr getroffen. Der zweite Grund war, dass ich mir zu viele Gedanken über die Zukunft der Kirche mache und sie zu wenig liebe, so wie sie ist. Das ist schon mehr als 30 Jahre her, man hätte sich auch damals schon mit Innovation beschäftigen können, jetzt ist die Kirche ja dran. Damals war das jedoch noch nicht salonfähig und ein Grund keine Anstellung zu bekommen. Erst im Schuldienst habe ich dann als weltoffene Person eine Anstellung bekommen. Auch das Haus der Stille hat mich angestellt und die Diözese hat mein Gehalt bezahlt. Da habe ich dann gemerkt, dass ich weniger verdiene als mein Mann, obwohl wir im gleichen Jahr eingestiegen sind in den kirchlichen Dienst. Vordienstzeiten wurden mir anfangs nicht angerechnet, ihm schon. Später hat sich der Gehaltsunterschied vergrößert, weil Karenzzeiten für die Vorrückung nicht eingerechnet wurden.
Vor einiger Zeit hast du mit einer schweren Krankheit gekämpft. Ich kann mir vorstellen, dass eine solche Diagnose einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Wie bist du damals damit umgegangen von einem Tag auf den anderen mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert zu sein? Und wie gehst du heute damit um?
Wenn ich ehrlich bin, war das schon ein ziemlicher Schock. In den ersten 3 Tagen war ich völlig in dem Zustand den Boden unter den Füßen weggezogen bekommen zu haben. Eine heftige Welle aus allen Gefühlen die da so auftauchen: Verzweiflung, Angst, Ohnmacht… das ganze Programm. Das hat mich richtig mitgenommen. Dann habe ich meinen Chirurgen getroffen und er hat gesagt „Na daran werden sie nicht zu Grunde gehen.“ Das hat eine gewisse Entspannung gebracht. Der Satz hat mich aber dann sehr beschäftigt. Das zu Grunde gehen hat für mich noch eine ganz andere Bedeutung gehabt, als „nur“ nicht zu sterben; die Krankheit hat mir geholfen zu Grunde zu gehen, zum tragenden Urgrund allen Seins, letztendlich auf die tragende Wirklichkeit und Gegenwart Gottes zu stoßen. Da hat mir kaum etwas so geholfen, wie diese Krankheit, wirklich in der Präsenz und im Augenblick zu leben. Ich glaube dadurch, dass alles ungewiss war und man nicht mehr planen konnte, war ich so intensiv und unmittelbar am Leben dran. Das sehe ich auch wirklich als großen Gewinn.
Zu erkennen, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist und wir ja nie wissen, ob uns noch ein nächster Augenblick gegeben ist. Für mich besteht die Herausforderung jetzt darin, diese Perspektive in der Alltagsroutine nicht wieder aus dem Blick zu verlieren.
Wie hast du die Corona-Krise mit dem Lock-Down erlebt? Konntest du dem ganzen auch Positives abgewinnen und was nimmst du dir für den kommenden Lockdown mit?
Ich habe diese Zeit an sich auch sehr genossen, weil er mich so verlangsamt hat. Er hat mich in sehr intensiven Kontakt mit der Natur gebracht. Wir haben den Frühling als Familie in unserem alten Weinpresshaus in Slowenien verbracht und dabei habe ich die Natur so intensiv erlebt wie noch nie. Es war ein ganz intensives Erleben und Genießen des Frühlingserwachens, dieser Fülle an Leben, die sich da zeigt. Auch als Familie haben wir so viel Zeit miteinander verbracht wie schon lange nicht mehr. Es hat mir deutlich gemacht, was ich manchmal doch für einen wahnsinnigen Alltag habe. Es hat mir deutlich gemacht, dass weniger manchmal mehr ist und dass die Qualität des Lebens eigentlich davon sehr profitiert hat.
Ich habe ja auch ein bisschen ein Einsiedlerinnen-Gen und es taugt mir da auch mal ganz für mich sein zu können. Wie ich dann aber das erste Mal meine Jahrestrainingsgruppe getroffen habe, sind mir fast die Tränen gekommen. Den direkten Kontakt und die Verbindung mit Menschen mag ich schon auch sehr.
Auch wenn am Anfang die Grenzen zugegangen sind, ist es ein Thema das wir nur als Menschheitsfamilie miteinander lösen können. In gegenseitiger Rücksichtnahme und Unterstützung.
Was möchtest du den Frauen in der Welt ganz besonders mitgeben?
Was ich gerne möchte ist, sie zu erinnern. Im wahrsten Sinne des Wortes zu er-innern wer sie wirklich sind, in ihrem tiefsten Wesen. Dass da schon alles drin ist, dass jeder Mensch ein einzigartiger Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit in die Welt hinein ist. Hilfreich dabei ist immer eine WeggefährtInnenschaft wo wir uns gegenseitig unterstützen.
Liebe Birgit, vielen Dank für deine sehr ehrlichen Antworten!
Auszüge aus einem Interview mit Judith Waltl